Urameisen (Ponerinae) – Aussehen und Besonderheiten

Urameisen (Ponerinae) sind eine Unterfamilie der Ameise (Formicidae). Sie wird auch Stech- oder Wespenameise genannt, weil alle weiblichen Kasten einen Giftstachel am Hinterleib besitzen. Unter den Porinae sind einige der ältesten, nicht ausgestorbenen Ameisenarten anzutreffen, weshalb ihr auch die Bezeichnung „Dinosaurierameise“ gegeben wird.

Ponera Coarctata Kopf
Kopf der Ponera Coarctata –  / © AntWeb.org, via Wikimedia Commons

Das Aussehen der Urameise

Die Urameise ist insbesondere an dem fehlenden Postpetiolus erkennbar. Dieser ist bei ihr, im Gegensatz zu anderen Ameisenarten, noch mit dem Petiolus verwachsen. Er ist Knoten- oder Schuppenförmig. Außerdem befindet sich zwischen dem ersten und dem zweiten Segment der Gaster eine auffällige Einschnürung, durch die die Urameise leicht von anderen Familien unterschieden werden kann.

Sowohl Arbeiterinnen als auch Königinnen besitzen einen Giftstachel, den sie zum Jagen und zur Verteidigung gegen Feinde einsetzen. Für Ameisen ist der Giftstachel eine außergewöhnliche Ausrüstung, da die meisten Arten für die Jagd und die Verteidigung ihre Mandibeln benutzen und Säure verspritzen. Die Königinnen und Arbeiterinnen der Urameise sind sich äußerlich sehr ähnlich. Es gibt keine oder kaum erkennbare Größenunterschiede. Farbvariationen gibt es bei den verschiedenen Arten einige. Von gelb über braun bis schwarz sind alle Farben vertreten.

 

Was fressen diese Ameisen?

Urameisen ernähren sich hauptsächlich oder ausschließlich von Proteinen. Die meisten ihrer Art sind aktive Jäger, die überwiegend erbeutete Insekten, Spinnen oder andere Kleintiere fressen. Viele Arten sind auf einen bestimmten Beutetyp, wie beispielsweise Tausendfüßler, spezialisiert. Von manchen Arten wird auch Aas aufgenommen, selten auch Nektar. Urameisen gehen keine Symbiose mit anderen Tieren, wie Raupen oder Blattläusen, ein.

Urameisen Odontoponera Denticulata fressen Honig
Odontoponera Denticulata fressen Honig

Verbreitungsgebiete der Urameise

Urameisen sind weltweit zu finden. Allerdings bevorzugen sie warme Regionen, weshalb die Tropen mit über 1000 Arten den Verbreitungsschwerpunkt bilden. In Mitteleuropa waren ursprünglich nur zwei Arten vertreten: die Schmale Urameise (Ponera coarctata) und die Braune Urameise (Ponera testacea). Es handelt sich um Schwesterarten, die aufgrund ihrer Ähnlichkeit oft verwechselt werden.

Die Schmale Urameise ist in ganz Mitteleuropa recht häufig anzutreffen. Sogar in städtischen Gebieten lebt sie an Bahnstrecken, in Blumenkästen oder im Boden. Sie nutzt vorwiegend warme und feuchte bis trockene mineralhaltige Böden und ist sowohl auf offenen Flächen als auch unter Gehölz anzutreffen. Allerdings wird sie kaum entdeckt, da ihre Nester unauffällig und unterirdisch angelegt sind. Außerdem suchen die Arbeiterinnen ihre Beute nur unter der Erde oder in der Streuschicht. Es gibt für ihre Art demnach keinen Grund sich an der Oberfläche zu zeigen.

 

Die schmale und braune Urameise

Urameise Ponerinae Seitenansicht Vergrößerung
Urameise Ponerinae – The photographer and www.AntWeb.org [CC BY 4.0], via Wikimedia Commons

Die Braune Urameise ist etwas kleiner als ihre Verwandte und unterscheidet sich farblich von ihr. Sie ist ebenfalls in ganz Mitteleuropa vertreten, lebt allerdings tendenziell südlicher als die Schmale Urameise. Außerdem ist sie wärmeliebender und nutzt vegetationsarme Orte. Schattige Plätze werden gemieden. Sie ist seltener anzutreffen als die Braune Urameise. Im Verhalten unterscheidet sie sich kaum von ihr. Auch ihre Nester werden unter der Erdoberfläche angelegt und sie ernährt sich hauptsächlich von unterirdisch lebenden Gliederfüßern.

Bei den anderen in Mitteleuropa vorkommenden Urameisen handelt es sich um eingeschleppte Arten. Zu dieser gehört beispielsweise die Hypoponera punctatissima. Sie kommt ursprünglich aus den Tropen, wurde aber bereits vor 1500 Jahren in Westeuropa eingeführt. Sie ist an Orten anzutreffen, die ihr ganzjährig Wärme bieten können. Das sind unter anderem Kompost- und Abfallhaufen oder unterirdische Bereiche mit Wärmequellen. Man findet sie außerdem in Gewächshäusern oder in Stallungen.

Auch die Hypoponera punctatissima führt ein verstecktes Leben und jagt unterirdisch. Trotzdem lassen sich mit etwas Glück zwischen Ende Mai und Anfang September zumindest die geflügelten Jungköniginnen beobachten. Sie fühlen sich vom Licht angezogen und schwärmen zu dieser Zeit aus.




Besonderheiten der Ameisendinos

Die unterschiedlichen Arten der Urameisen weisen jeweils individuelle Verhaltensweisen auf. Grundsätzlich lässt sich beobachten, dass das Sozialverhalten der Urameise gering ausgebildet ist. Der Grund dafür liegt darin, dass es sich bei den Urameisen um eine sehr alte Familie handelt. Ein tiefergehendes Sozialverhalten hat sich bei Ameisen während der Evolution erst später entwickelt.

Ponerinea Urameisen Leptogenys
Ponerinea Ameisen Leptogenys – L. Shyamal [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons

Jagd- und Verteidigungsstrategien von Urameisen

Urameisen haben unterschiedliche Jagdstrategien. Der Großteil benutzt den Riech- und Sehsinn, um Beute aufzuspüren. Es gibt aber auch Arten, wie die Schnappkieferameise (Odontomachus), die zu den Lauerjägern zählen. Die Mitglieder einer Kolonie von Urameisen gehen in der Regel alleine auf die Jagd. Selbst die Königin einiger Arten muss ihr Nest verlassen, um sich Nahrung zu beschaffen. Auch bei der Erlegung der Beute sind die Ameisen auf sich selbst gestellt. Aufgrund der Tatsache, dass fast alle Aufgaben einer Ameise selbstständig erledigt werden, finden bei Urameisen kaum Rekrutierungen statt.

Einige Ameisenarten anderer Unterfamilien produzieren zur Jagd und Verteidigung Ameisensäure. Wie entsteht Ameisensäure? Bei der Säure handelt es sich um ein stark ätzendes Sekret, welches zur Gruppe der Methansäuren gehört. Es wird Gegnern über eine Drüse am Hinterleib entgegengespritzt. Eine bekannte Anwenderin dieser Verteidigungsstrategie ist zum Beispiel die Waldameise. Es gibt Arten, die ihre Ameisensäure über einen Stachel in ihr Opfer injizieren.

Auch die Urameise besitzt einen solchen Stachel am Hinterleib. Er enthält ebenfalls ein Gift, das jedoch nicht die gleiche Zusammensetzung, wie Ameisensäure hat. Es ähnelt dem Gift der Wespen und Bienen und ist hoch wirksam. Selbst für den Menschen kann ihr Stich sehr schmerzhaft sein und unter Umständen schwere allergische Reaktionen hervorrufen. Urameisen betreiben außerdem keine echte Trophallaxis.

Das bedeutet, dass die jagenden Ameisen keine Nahrung ins Nest bringen, um andere Ameisen über den Kropf damit zu versorgen. Es wäre ihnen auch nicht möglich, da Urameisen keine Nahrung im Abdomen speichern und wieder hervorwürgen können. Sie haben jedoch die Fähigkeit, Wasser- oder Nektartropfen zwischen den Mandibeln ins Nest zu tragen und diese an die Larven oder adulten Ameisen weiterzugeben.

Koloniegründung bei Urameisen

Die meisten Ameisen anderer Unterfamilien leben in einer Kolonie mit einer Königin. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass sie reproduktiv tätig ist. Nur sie legt Eier und sorgt so für den Nachwuchs. Oft unterscheiden sich die Königinnen durch ihre Größe deutlich von den Arbeiterinnen. Bei vielen Urameisen läuft die Koloniebildung anders. Bei ihnen gibt es die sogenannten Gamergaten. Das sind eine oder mehrere Arbeiterinnen, die dazu in der Lage sind, begattet zu werden und Eier zu legen. Sie übernehmen somit die Funktion einer Königin, unterscheiden sich aber in ihrer Größe nicht von den restlichen Arbeiterinnen.

Urameisen Austroponera Rufonigra
Urameisen Austroponera Rufonigra – The photographer and www.AntWeb.org [CC BY 4.0], via Wikimedia Commons

In manchen Kolonien der Urameise kommen mehrere Gamergaten vor, bei anderen nur eine. Ein Beispiel hierfür ist die Diacamma. Alle weiblichen Ameisen der Art werden zunächst mit der Gemmae geboren – ein knospenförmiges Anhängsel, das sie befähigt Nachwuchs zu zeugen. Die Weibchen versuchen sich daraufhin untereinander die Gemmae abzubeißen. Das dominanteste Weibchen behält ihre reproduktive Fähigkeit, während sich bei den anderen die Fortpflanzungsorgane zurückbilden.

Es hebt sich also nur ein reproduktives Weibchen hervor, welches daraufhin als Einzige die Funktion der Königin übernimmt. Allen weiteren Nachkömmlingen wird die Gemmae sofort abgebissen. Die Legeleistung einer Königin liegt bei bis zu 5 Eiern pro Tag. Für Ameisen ist das äußerst wenig. Die Kolonien der Urameisen wachsen deshalb sehr langsam und besitzen letztlich nur wenige Mitglieder. Man spricht von einigen 100 Tieren.

 

Urameisen kaufen und halten

Der Kauf und die Haltung von Urameisen sind grundsätzlich möglich. Es gibt im Internet diverse Anbieter, die Arten dieser Unterfamilie verkaufen. Trotzdem zeigt sich, dass das Angebot nicht so hoch ist, wie bei anderen Ameisen. Zusätzlich sind die Preise für eine Königin, die zur Gründung einer Kolonie gebraucht wird, hoch. Die Urameise hat sich als anspruchsvoll und recht empfindlich herausgestellt. Ihre Haltung ist nicht einfach und es gibt einige Anforderungen, die erfüllt sein sollten.

Eine der wenigen Arten, die angeboten werden, ist die Schnappkieferameise (Odontomachus). Es ist eine schwarze Ameise mit silbernem Glanz, die in Südamerika beheimatet ist. Sie stellt die vergleichsweise pflegeleichteste Art der Urameisen dar. Sind einige Bedingungen erfüllt, fühlt sie sich auch in der heimischen Ameisenfarm wohl. Urameisen sollten feucht und bei Temperaturen von 24-26 Grad gehalten werden. Um eine Schimmelbildung in dem feucht warmen Klima zu vermeiden sollten den Ameisenfarmen weiße Asseln und Springschwänze beigefügt werden. Zum Nisten eignet sich ein Stück Rinde im Formicarium, unter dem eine flache Vertiefung zu finden ist.

Die Haltung von Urameisen hat auch einige Vorzüge. Aufgrund ihrer kleinen Kolonien benötigen sie nur wenig Platz. Sie können keine glatten Scheiben hochlaufen, was einen Ausbruch unwahrscheinlich macht. Außerdem halten sie keine Winterruhe und können deshalb das ganze Jahr über beobachtet werden. Wie bei allen anderen Ameisen, hat es sich als vorteilhaft erwiesen nicht nur eine Königin zu erwerben, sondern gleich eine Königin mit einigen Arbeiterinnen.

Ameisen sind gerade in der Gründungszeit anfällig und es hilft der Königin bei der Koloniebildung, wenn sie bereits einige Helferinnen dabeihat. Trotz der nicht ganz einfachen Haltung ist die Urameise ein interessantes Insekt mit einer außergewöhnlichen Staatenbildung und Sozialstruktur, die es sich zu beobachten lohnt.